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Praxis für Psychotherapie und Coaching
Dr. Christine Laufersweiler-Plass
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Europas Pakt für psychische Gesundheit

Ein Bericht zur Konferenz "Mental Health and Wellbeing" in Brüssel, 2008
Von Dr. Christine Laufersweiler, Psychotherapeutin
(publiziert bei den Berliner  Blättern, www.bbpp.de)

Alle 9 Minuten nimmt sich irgendwo in Europa ein Mensch das Leben. So zitiert die Gesundheitskommissarin Androulla Vassiliou  die Statistik der menschlichen Verzweiflung in der EU. Es sterben an Selbstmord mehr Menschen als durch Verkehrsunfälle.

Der ehemalige norwegische Premierminister Kjell Magne Bondevik  schildert die Wochen, in denen er sich im Amt vertreten lassen mußte, da er eine  schwere depressive Episode erlitt, diese Tatsache öffentlich machte, die bestmögliche Hilfe erhielt, genas  und bei der nächsten Wahl sogar im Amt bestätigt wurde. Er rief danach einen 8-Jahresplan für Norwegen ins Leben, bei dem 3 Milliarden Euro eingesetzt wurden, um in allen Teilen der Gesellschaft eine effiziente Entwicklung zur Förderung der psychischen Gesundheit in Gang zu setzen. Nicht nur bei diesem Vortrag ist im Konferenzsaal der EU-Kommission das persönliche Engagement von Organisatoren und Teilnehmern zu spüren.

Die Konferenz  präsentierte Mitte Juni 2008 das Ergebnis einer mehrjährigen Phase der Datenrecherche und des Austausches zwischen den EU-Staaten zum Thema "Psychische Gesundheit" und den daraus resultierenden Pakt, diesem Thema in allen Bereichen des Zusammenlebens  in der EU die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken. Denn jeder vierte EU-Bürger erleidet im Laufe seines Lebens eine psychische Erkrankung. Depressionen sind die zweithäufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit.  Wichtig jedoch: Depressionen kann man behandeln und  damit erfolgreich zur Suizidprävention beitragen.  Das Ziel der Europäischen Kommission ist, daß der Pakt für Mental Health zu einem Weißbuch (White Paper) führt, mit dem sich die EU-Staaten auf gemeinsame Mindeststandards verpflichten.

Der Pakt schlägt vor, Erkenntnisse aus der gesamten EU zusammenzuführen, um Empfehlungen für Maßnahmen in folgenden 5 Hauptbereichen zu entwickeln:

    * Prävention von Selbsttötung und Depression

    * psychische Gesundheit in den Bereichen Jugend und Bildung

    * psychische Gesundheit am Arbeitsplatz

    * psychische Gesundheit bei älteren Menschen

    * Bekämpfung von Stigmatisierung und sozialer Ausgrenzung

Zu diesen Schwerpunktthemen wurden auf der Basis von Expertenrecherchen 5 Konsenspapiere erarbeitet, die die Basis für die Durchführung des Pakts sowie für eine Reihe thematischer Konferenzen, die für die kommenden 2-3 Jahre geplant sind, bilden. 

Auch wenn die EU kaum Einfluß auf die Gesundheitspolitik der einzelnen Länder hat: Durch Vernetzung können sich die EU-Mitgliedstaaten gegenseitig unterstützen, indem sie vergleichende Ursachenforschung betreiben oder erfolgreiche Projekte kopieren. "Best Practice"  heißt das Stichwort - und es meint vorbildlich und nachahmenswert. Unter den zuhörenden Gästen sitzt auch der Präsident  der deutschen Psychotherapeutenkammer Rainer Richter, der sich besonders für die Initiative der "Défenseure des Enfants" interessiert. Die französische Kinderschutzbeauftragte  wird - unabhängig von staatlicher Verwaltung - auch mit mobilen Einheiten im Lebensumfeld der Kinder aktiv und kann nachweisen, daß sich so die Suizidrate von Kindern und Jugendlichen reduzieren läßt.

Bei diesen Maßnahmen, so ist man sich einig,  müssen alle Ebenen des gesellschaftlichen Lebens im Hinblick auf ihre Wirkung auf die psychische Gesundheit untersucht werden:
 

 Erziehung, Schulen, Informationsvermittlung, Arbeitswelt, Rechtsprechung, Drogenpolitik, Verwaltungen, Kliniken, Ausbildung im Gesundheitswesen und Zugangswege zu Hilfen. Es soll auf  Menschen in allen Lebensaltern und auch auf die jeweils betroffenen sozialen Netze geachtet werden. Es soll Hilfe zur Selbsthilfe ermöglicht werden. Denn psychische Gesundheit, so der Pakt,  ist ein Menschenrecht und die Stigmatisierung von Behinderten und Kranken verstößt gegen EU-Recht. 

Es gilt die soziale  Ausgrenzung von psychisch Kranken zu verhindern und die Selbstbestimmungsrechte von Menschen zu achten. Es gilt herauszufinden, was so viele Menschen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit und zum psychischen Zusammenbruch bringt und was sie stabilisiert. So weist die Vizepräsidentin der Europäischen Ärzteschaft darauf hin, daß Ärztinnen besonders  hohe Suizidraten haben, da diese trotz immenser Belastungen oft für sich selbst keine Hilfe in Anspruch nehmen. 

Betrachtet man das Thema "Mental Health" im Hinblick auf  Kosten und Nutzen, eröffnen sich noch weitere Dimensionen. Psychische Erkrankungen führen zu Fehlzeiten bei der Arbeit, vermindern die Produktivität, führen noch allzu oft zu Frühberentungen. Pflegende Angehörige müssen ihre Arbeit aufgeben. Es gibt Statistiken, die nachweisen, daß aus schwer verhaltensgestörten Kindern später leider noch zu oft erwerbslose Erwachsene werden. Für einen Staatshaushalt bedeutet dies eine immense Belastung, neben denen die Kosten einer effizienten Prävention oder wirksamen Krankenbehandlung im Vergleich nur einen Bruchteil ausmachen würden. Auch daher wäre es im Sinne nachhaltiger Wirtschaftsentwicklung sinnvoll, dem Thema psychische Gesundheit mehr Aufmerksamkeit zu schenken, empfiehlt Martin Knapp von der "London School of Economics". Die EU-Kommission rechnet vor, daß sich die volkswirtschaftlichen Kosten von depressiven Erkrankungen pro Jahr in der EU auf rund 120 Milliarden Euro summieren. Und auch für die Lobbyisten der Pharmafirma Johnson & Johnson, die  zur psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz referieren, steht das Thema in einem wichtigen wirtschaftlichen Kontext. 

Während einerseits der Staatssekretär Rolf Schwanitz  in seinem Vortrag den neuen Schwerpunkt deutscher Maßnahmen auf Prävention und Früherkennung von  psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen präsentiert, wird auf der Konferenz andererseits klar, daß die osteuropäischen Staaten teilweise noch in den Anfängen stehen. Sie sind dabei, die althergebrachten  totalitären psychiatrischen Krankenanstalten umzustellen auf ein Helfersystem, in dem die Menschenrechte psychisch Kranker geschützt bleiben. Bei dieser Entwicklung gehe es in erster Linie um eine Änderung der Einstellung aller Beteiligten im Sinne der Wachheit für Menschenrechte. 

All diese auf der Konferenz vorgestellten Themen werden im "EU-Pakt für die psychische Gesundheit" aufgeführt  und sollen in den EU-Mitgliedsstaaten mehr Berücksichtigung finden. Zu Beginn der Konferenz hatte die belgische Prinzessin Esmeralda die Delphin- Therapie für Kinder vorgestellt. Zum Ende apelliert der EU-Parlamentarier John Bowis an alle Zuhörer: "Schaut euch mal hier um. Jeder vierte hier wird selbst einmal psychisch krank sein. Laßt uns die Herausforderung annehmen. Wenn sogar Delphine hyperaktiven Kindern helfen können, dann können wir das auch tun." 

Mehr Infos unter:

http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/08/933&format=HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=en

http://ec.europa.eu/health/ph_determinants/life_style/mental/mental_health_de.htm
 


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